Halloween und unsere Lust am Gruseln

In der fünften Folge der „Kulturbrücken“ sprechen wir über das „Gruselfest Halloween“, das mittlerweile in vielen Ländern sehr populär geworden ist. Wir erfahren in diesem Podcast, wie Halloween entstanden ist und das etwas mehr hinter diesem Gruselfest steckt, das einige lediglich als ein komerzielles Ereignis aus den USA betrachten. Wenn wir die ganze Jahreszeit betrachten, haben wir da Allerheiligen, Allerseelen, Halloween, den Totensonntag – doch wo kommen sie her, all die Bräuche rund um den Tod? Und warum konzentriert sich das alles auf den November?

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„Unterwegs in Den Haag“: „Hallowen – und unsere Lust zum Gruseln“ 13 Minuten, 15 Sekunden)

Redaktion und Sprecherin: Alexa Thelen-van den Hoek, Technik: Christian Schneider, Moderation: Petra Kaumann

 

Anmoderation
Sicher ist es Ihnen nicht entgangen: in vielen Fenstern hängen wieder Spinnweben, Fledermäuse, Totenköpfe und allerlei schauriges Inventar.

Spätestens aber, wenn kleine Gespenster und Hexen an der Tür klingeln und erwartungsvoll ihre Taschen ausstrecken, mit dem hierzulande üblichen Spruch „Een trucje of een snoepje!” wissen Sie: es ist wieder Halloween.

Meine Kollegin Alexa Thelen-van den Hoek hat sich mit dem kontroversen Phänomen Halloween auseinandergesetzt – und mit unserer Lust am Gruseln.

Halloween – und unsere Lust am Gruseln

Inzwischen ist das Gruselfest in vielen Ländern sehr populär geworden – zur Freude vieler Kinder und inzwischen auch Erwachsener – zum Leid derer, die Halloween als ein komerzielles Ereignis betrachten, das lediglich aus den USA zu uns herübergeschwappt ist.
Vielleicht aber steckt doch ein wenig mehr dahinter, als es auf den ersten Blick scheint.

Betrachten wir doch mal die ganze Jahreszeit: da haben wir Allerheiligen, Allerseelen, Halloween, den Totensonntag – doch wo kommen sie her, all die Bräuche rund um den Tod? Und warum konzentriert sich das alles auf den November?
Schauen wir hierzu erst einmal in die Geschichte:

Zu Beginn steht da das keltische Neujahrsfest mit dem Namen Samhain (sawäin). Die Kelten feierten es drei Tage lang, beginnend am 31.10. Mit Samhain wurde sowohl das neue Kalenderjahr der Kelten eingeleitet, neue Gesetzte beschlossen als auch die Ernte gefeiert. Zu dem glaubten sie, dass in dieser Zeit ein Kontakt zu den Verstorbenen möglich und die Grenze zum Reich der Toten offen sei. Um böse Geister abzuschrecken, wurden große Feuer entzündet und besänftigende Gaben – oder auch Treats – bereitgestellt. Wahrscheinlich ist, dass die Menschen damals ebenso mit gruseligen Masken die Geister fernhalten wollten.

Trotz Christianisierung hielten die Einwohner der britischen Inseln lange an ihren alten Traditionen fest. deshalb begannen dort im 8. Jahrhundert die christichen Priester den keltischen Ritualen etwas entgegenzusetzten: die Kerzen wurden zwar weiterhin für Verstorbene eingesetzt, man besann sich aber nun auf Verehrung und Gedenken der christlichen Heiligen. Zwar gab zu dieser Zeit bereits ein Allerheiligen-Fest, am Freitag nach Ostern, doch Papst Gregor der 4. , der die neuen christlichen Bräuche in England und Irland billigte, verlegte es im Jahre 837 auf den 1. November. So wandelte sich das Fest Samhein (sawäin) im Laufe der Zeit zu Halloween – eine Ableitung von “All-Hallows- Eve” – übersetzt: Aller-Heiligen-Abend.

Gruselige November-Bräuche gibt es im Übrigen bereits seit Jahrhunderten in verschiedenen Regionen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz: das sogenannte Rübengeistern. Dies ist eine alte Herbsttradition, bei der Kinder mit ausgehöhlten Zuckerrüben durch die Dörfer ziehen, oftmals auch um Süßigkeiten zu erbitten. Ich erinnere mich noch, als Kind gemeinsam mit meinen Eltern eine Futterrübe ausgehöhlt, in die Außenhülle eine Fratze geschnitzt und eine Kerze hineingestellt zu haben – ähnich den Gruselkürbissen von heute. Meine Mutter berichtete, dass sie dieses – wie es an der Mosel genannte wird – “Drouliet” auf einen Stab gesteckt hatte, um gemeinsam mit anderen Kindern kurz vor und nach Allerheiligen während der Dunkelheit Leute zu erschrecken – ein jahrhunderte alter Brauch, der im Moselland ebenfalls auf die Kelten zurückzuführen ist. Warum die Rüben durch Kürbisse weitgehend abgelöst wurden, liegt übrigens einfach daran, dass kaum noch Rüben angebaut werden.

Zu Allerheiligen gesellten sich im Laufe der Zeit noch weitere Gedenktage. So kam Allerseelen hinzu – ein Tag, an dem in der katholischen Kirche generell aller Toten gedacht wird. Entstanden ist Allerseelen im französischen Kloster Cluny. Der dortige Abt erließ hierzu im Jahre 998 ein Dekret, diesen Tag am 2. November zu begehen. Von hieraus breitete sich der neue christliche Gedenktag langsam aus, bis er im 13. Jahrhundert Rom erreichte.

Friedrich Willhelm der Dritte von Preußen ordnete 1816 für die evangelischen Regionen Preussens einen eigenen Gedenktag für die Verstorbenen an: den Totensonntag, der am letzten Sonntag des Kirchenjahres – somit eine Woche vor dem ersten Advent stattfindet, also auch im November. Die evangelischen Landeskirchen übernahmen diese Bestimmung.

Doch wie kommt es, dass die einen in dieser Jahreszeit ehrfürchtig trauern möchten, während die anderen sich aufs gruselige Feiern verlegen?

Damit zu tun haben sicherlich haben auch jahrhunderte alten Traditionen der Entedankfeste, die im November zum Ende der letzten Ernten oder am Ende eines Kirchenjahres stattfanden. Wahrscheinlicher ist jedoch als Ursache, dass das Thema Tod in der westlichen Gesellschaft zum Tabu-Thema geworden ist. Über den Tod spricht man nicht, Trauernde werden oft gemieden und neue Friedhöfe werden in die Außenbezirke verbannt. Ein Gruselfest, dass sich dem Thema Tod auf andere Weise widmet, präsentiert sich da als perfektes Ausweichmanöver.

Doch dies scheint nicht der wesentliche Grund zu sein für die ansteigende Popularität Halloweens in den vergangenen Jahrzehnten – und auch nicht der milliardenschwere Umsatz, den das Fest jährlich einbringt.

Wo also finden sich die Gründe für den Wunsch der Leute nach einem Fest mit Schrecken und Grusel? Schauen wir genauer, dann ist Halloween ist nicht das einzige Gänsehautthema, was viele von uns in den Bann zieht: denken wir nur an die vielen Krimis und Thriller, die auf den Bestsellerlisten stehen oder täglich im TV zu sehen sind.

Der deutsche Krimi-Autor Dieter Aurass hat hierzu eine Theorie:

O-Ton 1 Dieter Aurass

In Deutschland ist man wohl besonders fasziniert vom Bösen, denn in der Tat sind die Deutschen weltweit sogar Spitzenreiter beim Thema Krimis lesen.

Doch was treibt uns innerlich an? Wo kommt diese Faszination her?

Der Psychotherapeut Philipp Ruland erläuterte gegenüber dem Saarländischen Rundfunk, dass wir uns beim Lesen eines Krimis in einer sicheren Spannung ohne Risiko befinden – ähnlich wie bei einer Achterbahnfahrt: man setzt sich einer künstlichen Extremsituation aus in dem Wissen, dass einem nichts passieren wird. Vergleichbar ist dies ebenso mit Extremsportarten, Bungeejumping oder Fallschirmspringen – das Herz schlägt schneller, Adrenalin schießt durch den ganzen Körper – und am Ende wird man mit der Ausschüttung von Glückshormonen belohnt. Beim beim Krimi- oder Thriller lesen bekommt man das ganze Paket sogar gemütlich auf der Couch geboten – und das alles ohne sich in Gefahr begeben zu müssen. Die Deutschen haben für dieses Bedürfnis ein schönes Wort gefunden: die Angstlust.

Die Lust an der Angst ist allerdings kein Phänomen der Neuzeit. Selbst nach Aristoteles sollte eine Tragödie Furcht und Mitleid erregen, um zu einer Reinigung der Emotionen – der Katharsis – zu gelangen. Oder schauen wir uns die vielen schauerlichen Märchen an – sei es nun Hänsel und Gretel oder – mein Lieblingsmärchen aus Kindertagen: „Von einem der auszog, das Gruseln zu lernen“.

Inzwischen wissen Psychologen, dass eine gesunde Angstlust zur positiven Entwicklung eines Menschen gehören. Herausfordernde Prüfungen überstehen oder Zivilcourage zeigen könnte anders gar nicht möglich sein.

Unser Gehirn liebt es also, gewisse Risiken einzugehen und Ängste zu überwinden – und sei es nur in der Phantasie. Ohne Angstlust oder die Grusel-Lust oder die Lust daran, uns in gewissem Maße Gefahren auszusetzen hätte sich die Menschheit niemals so weit entwickeln können. Da ist sich die Wissenschaft einig.

Sicher gibt es und gab es Zeiten in der Geschichte, in denen es viele reale Ängste auszustehen gab – in solchen Zeiten hätte wohl niemand sich freiwillig gruseln wollen. Doch wir leben heute – zumindest in der westlichen Welt – in relativer Sicherheit, ohne große Bedrohungen. Und so freut sich unser Gehirn ab und zu über eine nette Portion gefahrlosen Schauder – etwas, das auch Halloween mit sich bringt.

Bleibt da noch die Lust oder die Faszination am Bösen. Was hat es damit auf sich?

Natürlich werden die meisten von uns über sich selbst sagen: ich bin eigentlich ein guter Mensch. Doch seien wir einmal ehrlich: wer kann schon von sich behaupten, noch niemals gelogen zu haben, noch nie jemanden übervorteilt zu haben oder sich noch nie irgendeine Form von Rache gewünscht zu haben? Ein bisschen Bosheit steckt in jedem von uns – ob wir das zugeben wollen oder nicht. Nur leben wir es meist nicht aus, da Menschen – unabhängig von ihrer ethischen Grundhaltung – nicht ausgegrenzt werden möchten und sich sozialen Regeln anpassen. Hier bietet Halloween die Chance, sich einmal im Jahr – und sei es nur spielerisch im Kostüm – in jemand oder etwas Böses verwandeln zu können, in eine Hexe, ein Monster oder einen Serienkiller mit Kettensäge – einmal im Jahr ohne schlechtes Gewissen – dennoch ohne schlechte Taten – anderen Angst einjagen dürfen, den bösen Anteilen in uns ein wenig Raum verschaffen dürfen! Dies kann sicherlich ebenso eine kathartische Wirkung nach sich ziehen. Kommt dann noch eine gute Portion schwarzen Humors dazu, kann man zu Halloween sicher viel Spaß haben.

O-Ton 2

Abmoderation

Wie Sie sehen, hat Halloween viele Facetten – egal, ob Sie es nun mögen oder nicht.

Wer sich gerne mitgruseln möchte, hat hierzu Gelegenheit: am Samstag den 29. Oktober gibt’s jede Menge Veranstaltungen in Den Haag, zum Beispiel in der Brasserie im Amare ab 21 Uhr: die Amare’s Halloween Night – A Frightening Affair, Kartenverkauf unter anderem online.

Auch „De Boterwaag“ am Grote Markt lädt am Samstag ein zur Halloween Party. Wer mit Kostüm kommt, zahlt keinen Eintritt.
Wer einfach nur so ein bisschen Halloween – Atmosphäre um sich haben möchte, ohne Party, der sollte einen Blick werfen in die Irish Pubs in der Stadt, zum Beispiel ins O’Casey’s in Noordeinde.

Und wer sich lieber in Gedanken und zuhause gruselt, dem bleiben jede Menge Gruselkost im Fernsehen – oder Sie ziehen einfach einen spannenden Thriller aus dem Regal.

Weitere Informationen:

Halloween – Allerseelen – Totensonntag: Schattengeister – Lichtgestalten:
https://www.klosterkirche.de/spirituelles-wissen/rituale/halloween/schattengeister-lichtgestalten.php

Warum wir so gerne von Verbrechen lesen:
https://www.sr.de/sr/home/ratgeber/warum_wir_so_gerne_von_verbrechen_lesen100.html

AngstlustEin Psychiater erklärt, warum uns grausame Verbrechen so faszinieren:
https://www.geo.de/wissen/gesundheit/23185-rtkl-angstlust-ein-psychiater-erklaert-warum-uns-grausame-verbrechen-so

Karten für „Brasserie Amare’s Halloween Night: A Frightening Affair“ am 29. Oktober:
https://www.eventbrite.nl/e/brasserie-amares-halloween-night-a-frightening-affair-tickets-439472332577

Foto: SoLow, Den Haag, https://solow.nl/

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