„Kulturbrücken“ ist eine Podcastserie von KulturNetz aan Zee mit interkulturellen Themen aus den Niederlanden, Deutschland und Europa. Gemeinsam mit Ihnen wollen wir die Kultur über den lokalen Tellerrand hinaus betrachten.
In der ersten Folge der „Kulturbrücken“ geht es unter dem Titel „Fastnacht – Geschichte & Bräuche“ um die sogenannte „Fünfte Jahreszeit“, ein Ereignis, dass schon seit langem die Kulturen und ihre Völker verbindet.
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„Kulturbrücken“: „Fastnacht – Geschichte & Bräuche“ (8 Minuten, 19 Sekunden)
Der Beitrag zum Nachlesen:
Den meisten Karnevallisten geht es in der sogenannten 5. Jahreszeit hauptsächlich ums Spaß haben und ums Feiern. Doch die Ursprünge, Entwicklungen und Bräuche kennen viele sicher nicht wirklich.
Zurückzuführen ist die Fastnacht – wie der Name schon sagt – natürlich auf den Beginn der Fastenzeit, hat also religiöse Hintergründe. Erste Belege über Feiern von Karneval – was in grober Übersetzung wahrscheinlich „Fleisch, leb wohl“ bedeutet – finden sich bereits im Mittelalter. So hat Wolfram von Eschenbach in seinem Parzival bereits beschrieben, wie die Marktfrauen von Dollnstein im Altmühlental ein närrisches Kampfspiel am Donnerstag vor Aschermittwoch aufführten, und dass sie: „an der Fasnacht nie besser gestritten“ hätten. Da diese Verse bisher die älteste Überlieferung für die närrische Zeit sind, gilt daher bis heute das bayrische Dollnstein als Wiege der Fastnacht.
Warum man nun ausgerechnet zur Fastnacht so ausgiebig gefeiert hatte, hängt natürlich damit zusammen, dass während der Fastenzeit nicht nur der Genuss von Alkohol – Bier gehörte übrigens nicht dazu – und natürlich von Fleisch verboten war, sondern ebenso damals auf alle anderen tierischen Produkte wie Schmalz, Eier oder Milch verzichtet werden musste. Folglich mussten die verderblichen bevorrateten Lebensmittel alle verbraucht werden. Und so entstand auch das fette und oft eierhaltige, heute noch sehr beliebte Fastnachtsgebäck. Vorgeschrieben war übrigens auch sexuelle Enthaltsamkeit während der 40 Fastentage. Welche Folgen dies für Karneval hatte, können Sie sich sicher ausmalen.
Erste Belege für Fastnachtsumzüge und ähnliches gab es übrigens bereits Ende des 14. Jahrhunderts in Nürnberg. Dort durften die Metzger – sicher auch, weil sie die Folgen der fleischlosen Fastenzeit am Meisten zu spüren bekamen – die Zämertänze aufführen – ein Tanz in bunten Kostümen, bei dem sich die Metzger gegenseitig häufig an Wurstringen festhielten.
Auch die Söhne der reichen Patrizier wollten bei dem bunten Treiben des Volkes mitmischen und erkauften sich von den Metzgern das Recht, als deren Schutztruppe aufzutreten, in rot-weißen Gewändern und mit Lanzen ausgestattet. So entstand der bis heute noch zelebrierte Schembartlauf – wenn auch heutzutage ohne Metzger. Ab 1475 waren dann dort auch die ersten Vorläufer der heutigen Karnevalswagen dabei. Wir können aber davon ausgehen, dass Karneval auch in anderen Teilen des Landes ausgiebig gefeiert wurde.
Und die Ordnung der Welt war also auch schon im Mittelalter während der Fastnachtszeit auf den Kopf gestellt, und zotige Lieder sowie Alkohol gehörten auch damals bereits dazu. Wenngleich Karneval von der Kirche toleriert wurde, stießen die damit verbundenen Exzesse auf natürlich Missfallen. Die Kirchenväter bezeichneten die Fastnacht als gottlos und teuflisch. Doch die Feiernden nahmen dies lediglich zum Anlass, sich nun erst recht als Teufel, Hexen oder Narren zu verkleiden.
Im Zuge der Reformation wurde Karneval dann im 16. Jahrhundert verboten – zumindest in den evangelischen Städten. Und selbst in katholischen Gegenden und Ländern fielen die alten Bräuche ab dem 18. Jahrhundert den Vertretern der Aufklärung zum Opfer, galten als überholte Überbleibsel einer dunklen Vergangenheit. Spätestens aber durch die darauffolgenden Kriege gerieten die Traditionen von Karneval in Vergessenheit.
Zur Zeit der Romantik begann nun das Bürgertum sich zurückzubesinnen und erweckte die alten Fastnachtsbräuche wieder zum Leben. Die Honoratioren feierten in prunkvollen Sitzungen, und 1823 gab es in Köln den ersten Rosenmontagsumzug. Im Westen Deutschlands erfreuten sich nun die Narren daran, die inzwischen abgezogenen napoleonischen Truppen oder die hier nun herrschenden Preußen aufs Korn zu nehmen, was man bis heute an den Kostümen der Garden sehen kann.
Weiter südlich wurden dagegen die ursprünglichen Teufels- und Hexenmasken wieder hervorgeholt, und so etablierte sich die schwäbisch-alemannische Fasnet.
Volkskundler und Historiker konnten übrigens inzwischen nachweisen, dass der Ursprung der auf der schwäbischen Alb, im Schwarzwald oder auch in der Schweiz gepflegten Tradition nicht – wie durch die Zeit des Nationalsozialismus gerne behauptet – aus den heidnischen Riten der Germanen entstanden war, sondern aus den noch überlieferten, christlichen Bräuchen des Mittelalters.
Inzwischen ist Karneval feiern allerorts so beliebt geworden – selbst dort, wo seit der Reformation Fastnacht total in Vergessenheit geraten war – dass in den letzten 100 Jahren die Anzahl der Narrenzünfte allein im Südwesten von 40 auf: sage und schreibe 1.700 angestiegen ist. Zurückzuführen ist dies sicher unter anderem auf die Übertragungen im Fernsehen, die vielen Leuten Lust macht, am bunten Treiben teilzunehmen. Höchstwahrscheinlich liegt dies aber ebenso am Bedürfnis der Menschen an festen Bräuchen in einer Welt der Globalisierung.
Übrigens: Karneval feiern am 11.11. ist – wie viele sicherlich denken – keine Erfindung der Neuzeit. Denn bis 1917 war auch die Einhaltung der vorweihnachtlichen Fastenzeit in der katholischen Kirche Pflicht. Sie dauerte genauso lange wie die Fastenzeit vor Ostern und begann damit exakt am 12.11.
Wenn auch heute eher überholt, ist der 11.11. somit tatsächlich Fastnacht.
Links und weitere Hinweise:
„Karneval, Fastnacht und Fasching“ (Wikipedia): https://de.wikipedia.org/wiki/Karneval,_Fastnacht_und_Fasching
Christine Westermann und Stefan Worring „Karneval: Bilder und Geschichten“ (2009):
https://www.amazon.de/Karneval-Bilder-Geschichten-Christine-Westermann/dp/3462038184
WDR-Doku „Hinter den Kulissen des Kölner Karneval“ (1:28:32 Minuten): https://www.youtube.com/watch?v=RTL8HA_vdL0
Eine weitere Doku ist der Film „Karneval! Wir sind positiv bekloppt – Hinter den Kulissen des Kölner Karnevals“ (1:33:54 Minuten): https://www.youtube.com/watch?v=WP3Hb46lh7Y
KulturNetz aan Zee: https://kulturnetz-aan-zee.nl
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