Auf Vorschlag von Heide Klijn stellen wir Ihnen monatlich ein Gedicht vor, das diesem Monat beziehungsweise der Jahreszeit gewidmet ist.
Wir führen die Reihe fort mit dem Gedicht „Ein Winterabend“ von Georg Trakl.
Ein Winterabend
Wenn der Schnee ans Fenster fällt,
lang die Abendglocke läutet,
vielen ist der Tisch bestellt
und das Haus ist wohl bestellt.
Mancher auf der Wanderschaft
kommt ans Tor auf dunklen Pfaden.
Golden blühet der Baum der Gnaden
aus der Erde kühlem Saft.
Wanderer, tritt still herein;
Schmerz versteinert die Schwelle.
Da erglänzet in reiner Helle
auf dem Tische Brot und Wein.
Georg Trakl (geboren am 3. Februar 1887 in Salzburg; gestorben am 3. November 1914 in Krakau, Galizien) war ein österreichischer Dichter des Expressionismus. Seine Gedichte hatten große Symbolkraft – die Themen Abend, Nacht, Tod und dunkles Blau bestimmten seine Lyrik. Eine eindeutige Zuordnung seiner poetischen Werke zu einer der annähernd gleichzeitigen Strömungen der Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts ist aber nicht möglich.
Trakl kam aus dem gehobenen Bürgertum und wurde von einer französischen Gouvernante erzogen. Er wurde Apotheker und meldete sich früh zum Militärdienst. Depression und Drogengebrauch bestimmten seine Angst vor fremden Menschen. Trotz der Unterstützung von Freunden wie Karl Kraus, Oscar Kokoschka und Else Lasker-Schüler hatten diese wenig Einfluss auf seinen Gemütszustand – auch seine literarischen Erfolge waren ihm keine Hilfe. Bei Anbruch des Ersten Weltkriegs wurde er eingezogen nach Galicien. Sein Geisteszustand verschlechterte sich zusehend und er starb an einer Überdosis Kokain im Militärhospital in Krakau. (Wikipedia)
Foto: Beate Klemke