Joseph Roth – Vom Romanischen Café ins Café Americain

Joseph Roth wurde am 2. September 1894 in Brody, Ostgalizien, Österreich-Ungarn geboren. Seine Herkunft hat er zeitlebens zum Gegenstand von Verschleierung und Mystifikation gemacht. Vor allem die Person seines (für geisteskrank erklärten) Vaters erschien in mehrfachen schillernden Umgestaltungen: Er sei der außereheliche Sohn eines österreichischen Offiziers, eines polnischen Grafen, eines Wiener Munitionsfabrikanten. Roth berichtete von einer von Armut und Dürftigkeit geprägten Kindheit und Jugend. Nach seiner Matura im Mai 1913 übersiedelte er nach Lemberg, wo er sich an der Universität Lemberg immatrikulierte. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs musste Joseph Roth sein Studium abbrechen und sich auf den Erwerb des Lebensunterhalts konzentrieren – er wurde Journalist in Wien. 1920 zog Roth nach Berlin. Am 5. März 1922 heiratete Roth Friederike (Friedl) Reichler, die er im Herbst 1919 im Literatencafé „Herrenhof“ kennengelernt hatte. Ab Januar 1923 arbeitete er als Feuilletonkorrespondent für die renommierte „Frankfurter Zeitung“. Während dieser Zeit arbeitete er auch an seinem ersten Roman, „Das Spinnennetz“. 1926 traten bei Roths Frau erste Symptome einer geistigen Erkrankung zutage, 1928 wurde ihre Krankheit manifestiert.

Über Joseph Roth im Romanischen Café in Berlin heißt es: „Ein Mann raucht im Romanischen Café in Berlin-Charlottenburg, neben sich ein Cognac (obwohl es erst vormittags ist), vor sich ein Notizbuch. Vielleicht war er gestern noch in Wien, Frankfurt oder Paris, denn dieser Mann reist viel. Sein Beruf: Reporter. Sein Name: Joseph Roth.“ Er hat gar nicht erst versucht, über das Leben und den Alltag der Weimarer Republik in einer Redaktionsstube zu schreiben. Seine Gewohnheit war es, im Café zu schreiben – der Lärm im Café stört ihn dabei nicht: Im Gegenteil, wenn die Konversation um ihn herum abbricht, fragt er: „Habt ihr euch nichts zu sagen? Kein Gesprächsstoff mehr?“

Am 30. Januar 1933, dem Tag von Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, verließ Roth Deutschland. In einem Brief an Stefan Zweig urteilte er: „Inzwischen wird es Ihnen klar sein, dass wir großen Katastrophen zutreiben. Abgesehen von den privaten – unsere literarische und materielle Existenz ist ja vernichtet – führt das Ganze zum neuen Krieg. Ich gebe keinen Heller mehr für unser Leben. Es ist gelungen, die Barbarei regieren zu lassen. Machen Sie sich keine Illusionen. Die Hölle regiert.“ Als Roth emigrieren musste, folgte ihm seine damalige Lebensgefährtin Andrea Manga Bell mit ihren Kindern. Er wählte als Ort seines Exils zunächst Paris, unternahm aber diverse, teils mehrmonatige Reisen, unter anderem in die Niederlande, nach Österreich und nach Polen. Von Juni 1934 bis Juni 1935 hielt sich Roth, wie viele andere Emigranten, an der französischen Riviera auf. Zusammen mit Hermann Kesten und Heinrich Mann mieteten Roth und Andrea Manga Bell ein Haus in Nizza. Ursache für vielen Streitigkeiten und das endgültige Zerwürfnis mit Bell war mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder Roths extreme Eifersucht.

Anders als vielen emigrierten Schriftstellern gelang es Roth, im Exil nicht nur produktiv zu bleiben, sondern auch Publikationsmöglichkeiten zu finden. Seine Werke erschienen in den niederländischen Exilverlagen „Querido“ und „De Lange“ sowie im christlichen Verlag „De Gemeenschap“. Unter anderem deshalb hielt er sich während seines Exils mehrfach in den Niederlanden und Belgien auf (Mai 1935 in Amsterdam und 1936 längere Aufenthalte in Amsterdam und Ostende). Darüber hinaus verfasste er Beiträge für die von Leopold Schwarzschild herausgegebene Exilzeitschrift „Das neue Tage-Buch“. In Amsterdam trafen sich die deutschsprachigen Exilliteraten im Café Americain – dort schrieben sie, stritten sich und verzweifelten an sich und dem Leben. Auch Joseph Roth und die Schriftstellerin Irmgard Keun („Das kunstseidene Mädchen“) arbeiteten während ihrer Amsterdam-Aufenthalte hier – vom Alkohol benebelt und von den zahlreichen Roth-Bewunderern umgeben – an ihren wunderbaren Romanmanuskripten. Zunächst wohnte Roth auch noch im zum Café gehörigen Hotel, musste jedoch aufgrund von Geldmangel bald umziehen. Ein bekanntes Foto zeigt den Schriftsteller im Kreise seiner niederländischen Freunde 1936 in Amsterdam: Frans Hannema, Charles Nypels, Charles Roelofsz, Joop Sjollema und Maurits Mok. Später zerbrach auch die Beziehung zu Irmgard Keun – nach ihrer Aussage war wiederum Roths Eifersucht die Ursache.

Am 23. Mai 1939 wurde Roth in das Pariser Armenspital Hôpital Necker eingeliefert, nachdem er (angeblich nach Erhalt der Nachricht vom Selbstmord Ernst Tollers) im Café de la Poste zusammengebrochen war. Am 27. Mai starb er an einer doppelseitigen Lungenentzündung. Der letale Verlauf der Krankheit wurde durch den abrupten Alkoholentzug (Delirium tremens) begünstigt. Am 30. Mai 1939 wurde Roth auf dem zu Paris gehörenden „Cimetière parisien de Thiais“ in Thiais, südlich der Hauptstadt, beerdigt.

Foto: Café Americain, ECHAdam, CC BY-SA 3.0 , via Wikimedia Commons

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